TEXT (english / Deutsch) by von Hyun Jin Cho, 2 Viennese coffee house & Danish pastry / Wiener Kaffeehaus & Danish pastry, Nov 27, 2012

Dear A,
I read that since last October, Viennese Coffee House Culture has been designated as an ‘Intangible Cultural Heritage in Austria’ by UNESCO under the domain of ‘Social Practices, Rituals and Festive Events’. This recognises its ‘very specific atmosphere where time and space are consumed.’ I wouldn’t have guessed I would be writing to you about coffee houses, but I then became interested in this idea of a ‘very specific atmosphere’. What is it – both material and immaterial – that creates this specific atmosphere? Perhaps it’s the elements that occupy and make a space over time: elaborate chandeliers, a selection of pastries, a tea spoon laying on top of a glass of tap water, small stainless steel trays, skilled waiters in smart uniforms and thick robust menus. Many anthropologists who are interested in phenomenology have argued that time and space should be viewed as components of human action rather than be seen simply as containers for them. What kind of actions are here in the coffee houses of Vienna, and in what way does time and space constitute these actions?

Most people seem to be at leisure with coffee and readings (or sometimes nothing). I am thinking of your research on the Western notion of time and its relation to a sense of self drawn from the lives of Danish mothers. Here in the coffee house time doesn’t seem wasted; yet time is not exploited either. It’s a vague form of leisure time where each participant makes up her or his own rhythm. I wish you were here.

It is a lovely paradox that many tourists (like myself) desire to experience this atmosphere fitting it into a tight daily schedule of must-see sites. This endeavour and their conception of time in a sense differs from the premise of the Viennese coffee house culture. An additional conflicting fact, however, is that tourism is perceived to have prompted the revival of Viennese coffee houses in recent years. In a simple term, tourists enable the form yet cloud the content. It’s a good example that form and content are inherently interrelated, so the seemingly irreconcilable approaches to time can co-exist.

The other most talked about things among tourists and visitors about Vienna might be danish pastries. Is it true that Danes call danish pastries wiennerbrød (Viennese bread)? So, in English what I would call a ‘Danish pastry’ is called ‘Viennese bread’ in the Danish language. Do the Viennese when speaking in English call it a ‘Viennese pastry’ or ‘Danish pastry’? In Vienna, the ‘Viennese bread’ in Austrian German seems to be named in many ways. So far I have come across these used correspondingly: Bäckereien, Backwaren, Plundergebäck, Mehlspeisen, Plunder or Golatschen. None refer to a country of origin. I asked a friend from Germany about this, and he said ‘German speaking people don’t talk about things in terms of origin. I have no translation in English beside ‘Danish pastry’. Sorry!’ Is this an example of a circular definition? We can never understand the definition of a certain term A, because the key terms B & C to define the term A are dependent on an understanding of the term A.

Well, really what is a Danish pastry?

J

P.S. The images are from the postcards I found at the Albertina Museum shop just around the corner of the VBKÖ where The Many Archives! is taking place. Both illustrations are done by Imke Behrens/ Edition Skye.  Oh, I was told that the recipe is from a famous Austrian cook, Ewald Plachutta.  A recipe for a tourist postcard… A utilitarian approach for a supposedly non-utilitarian object? Does this very approach indicate something about the culture of the city it exemplifies as much as what is depicted as an example in the illustration? In my next letter, I want to write to you about this entangled relationship with reference to the VBKOE archive.

Text: Hyun Jin Cho

This is part of the Dear A text series in the frame of DIE VIELEN ARCHIVE! / THE MANY ARCHIVES!.

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Liebe A,

Ich habe gelesen, dass im Oktober letzten Jahres die Wiener Kaffeehauskultur von der UNESCO zum  „immaterielles Kulturerbe in Österreich” im Bereich  „Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste” erklärt wurde. Dies erkennt ihre „sehr spezielle Atmosphäre, in dem Zeit und Raum konsumiert werden.” Ich hätte nicht gedacht, dass ich über Kaffeehäuser schreiben würde, aber dann begann ich mich für diese Idee einer „sehr spezielle Atmosphäre” zu interessieren. Was ist das, das diese, sowohl materielle als auch immaterielle, besondere Atmosphäre erschafft? Vielleicht sind es die Elemente, die im Laufe der Zeit einen Raum einnehmen und schaffen: kunstvolle Kronleuchter, eine Auswahl an Mehlspeisen, einen Teelöffel, der auf einen Glas Leitungswasser liegt, kleine Edelstahlschalen, qualifizierte Kellner in schmucke Uniformen und dicke, robuste Menüs. Viele Anthropolog*innen, die in Phänomenologie interessiert sind, haben argumentiert, dass Zeit und Raum als Komponenten des menschlichen Handelns angesehen werden sollten und nicht nur als Container für diese. Welche Art von Aktionen finden hier in den Kaffeehäusern von Wien statt, und in welcher Weise werde diese Aktionen durch Raume und Zeit konstituiert?

Die meisten Menschen scheinen in ihrer Freizeit zu sein, beschäftigt mit Kaffee und Lesen (oder manchmal auch mit gar nichts). Ich denke an deine Recherche bezüglich der westlichen Vorstellung von Zeit und ihre Beziehung zur Wahrnehmung des Selbst, die du aus den Leben von dänischen Mütter ableitest. Hier im Café scheint die Zeit nicht vergeudet zu sein, noch wird sie voll ausgeschöpft. Sie ist eine vage Form der Freizeit, wo jede*r Teilnehmer*in ihren*seinen Rhythmus ausmacht. Ich wünschte, du wärst hier.

Es ist ein schönes Paradox, dass viele Tourist*innen (wie ich), um diese Atmosphäre erleben zu können, sie in einen engen Tagesablauf  von Pflichtbesuchen einzwängen. Dieses Bestreben und Konzeption der Zeit unterscheidet sich in einem gewissen Sinne von der Prämisse der Wiener Kaffeehauskultur. Darüber hinaus ist eine weitere widersprüchliche Tatsache, dass der Tourismus dafür wahrgenommen wird in den letzten Jahren, die Wiederbelebung der Wiener Kaffeehäuser angespornt zu haben. Vereinfacht gesagt ermöglichen die Tourist*innen die Form trüben jedoch den Inhalt. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Form und Inhalt grundsätzliche miteinander verbunden sind, so dass die scheinbar unvereinbaren Ansätze in Verbindung zur Zeit nebeneinander existieren können.

Zudem könnten vielleicht unter den Tourist*innen und Besucher*innen die Mehlspeisen, die meistbesprochene Sache über Wien sein. Ist es wahr, dass Dän*innen Mehlspeisen wiennerbrød nennen? Also, im Englisch, was ich als ‘Danish pastry’ bezeichen würde, nennt sich in Dänischen ‘Viennese bread’. So nennen es die Wiener*innen dann in Englisch ein  ‘Viennese pastry’ oder ein ‘Danish pastry’? In Wien scheint das ‘Viennese bread’ im Deutschösterreichischen viele Namen zu haben. Bisher sind mir diese unter gekommen: Bäckereien, Backwaren, Plundergebäck, Mehlspeisen, Plunder oder Golatschen. Keiner bezieht sich auf ein Herkunftsland. Ich sprach darüber mit einem Freund aus Deutschland und er meinte: „deutschsprachige Menschen spreche nicht über die Dinge in Bezug auf ihre Herkunft. Ich habe keine andere Übersetzung in Englisch als ‘Danish pastry’. Sorry!”

Ist das ein Beispiel für eine zirkuläre Definition? Wir können die Definition eines bestimmten Begriff A nie verstehen, denn die Schlüsselbegriffe B & C die den Begriff A definieren sind auf das Verstehen des Begriffs A angewiesen.

Also wirklich, was ist ein Danish pastry?

J

P.S.: Die Bilder sind von Postkarten, die ich im Albertina Museumshop gefunden habe. Der Shop ist gleich ums Eck von der VBKOE, wo DIE VIELEN ARCHIVE! stattfinden. Die Illustrationen sind von Imke Behrens / Edition Skye. Oh, ich habe erfahren, dass das Rezept von einem berühmten österreichischen Koch, Ewald Plachutta, ist. Ein Rezept für eine touristische Postkarte … Eine utilitaristische Einstellung für ein vermeintlich nicht-utilitaristisches Objekt? Weist diese Einstellung auf etwas in der Kultur der Stadt, die sie ebenso sehr veranschaulicht wie auch im Beispiel der Illustration darstellt? In meine nächsten Brief möchte ich dir genau über diese verstrickte Beziehung in Bezug auf das VBKOE Archiv schreiben.

Text: Hyun Jin Cho
Übersetzung: Nina Höchtl

Dies ist Teil der Dear A Textserie im Rahmen des DIE VIELEN ARCHIVE! / THE MANY ARCHIVES!.

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